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SPD Adlershof

Weimarer Republik

Die Gründer der Sozialdemokratie August Bebel und Wilhelm Liebknecht gingen 1870 für ihre konsequente Haltung gegen einen Eroberungskrieg in Frankreich für eineinhalb Jahre in Festungshaft. Als am 04.08.1914 im Reichstag über die Kriegskredite abgestimmt wurde, votierte die SPD-Fraktion geschlossen dafür. Was bei dieser Abstimmung nicht klar wurde, 14 von 110 Fraktionsmitglieder hatten sich in einer internen Vorabstimmung gegen die Kredite ausgesprochen, beugten sich aber der Fraktionsdisziplin. Als am 02.12.1914 über weitere Kriegskredite entschieden wurde, brach der Abgeordnete Karl Liebknecht die Fraktionsdisziplin und stimmte dagegen. Im Laufe des Jahres 1915 wurde die Spaltung in der SPD immer deutlicher. Im Dezember des Jahres stimmten 44 Abgeordnete gegen die erneute Erteilung von Kriegskrediten. Sie wurden aus der Fraktion ausgeschlossen und bildeten daraufhin die „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“. Die starre Befürwortung des Krieges der Mehrheitsfraktion entsprach in diesen Jahren nicht mehr der Grundeinstellung der Basis. 1916 hatte die SPD 64% ihrer Mitglieder verloren. Auch wenn die organisierten Arbeiter überdurchschnittlich an die Front geschickt wurden, war diese Zahl nicht auf Gefallenenzahlen zurück zu führen. Bereits im Januar 1916 hatte sich der Spartakusbund unter der Führung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gebildet. Auf einem Kongreß im April 1917 in Gotha folgte die Gründung der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Damit war die erste Spaltung der Sozialdemokratie vollzogen. Zum Jahreswechsel 1918/19 trennte sich der Spartakusbund von der USPD und gründete die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands).
Neben unzähligen Toten hatte die deutsche Arbeiterklasse eine weitere bittere Konsequenz aus dem 1. Weltkrieg zu ziehen: die Spaltung der Arbeiterbewegung in drei Parteien. Auch wenn die USPD 1922 wieder in die SPD aufging, blieb die Spaltung in SPD und KPD bestehen.

Seit 1917 gab es in ganz Deutschland revolutionäre Unruhen und organisierten Widerstand gegen den Krieg. In den Fabriken am Flughafen Johannisthal, in denen auch Adlershofer arbeiteten, bildeten sich revolutionäre Gruppen wie die „Schwarzen Katzen“, die u.a. vom langjährigen SPD-Mitglied Otto Franke, der dem Spartakusbund angehörte, mit Waffen versorgt wurden. Die revolutionäre Arbeit in den Rüstungsbetrieben von Ober- und Niederschöneweide, Johannisthal und Adlershof wurde vom USPD Mitglied Karl Müller organisiert. In unserem Kiez gründeten Vertreter aus SPD, USPD und der Gewerkschaftskommission Adlershof einen Aktionsausschuß, der im Dezember 1918 in eine Volksversammlung aus gewählten Arbeitern- und Soldatenräten aufging, dem späteren „Kommunalen Rat“.

Am 13.01.1919 beschloss die Gemeindeverwaltung von Adlershof den langjährigen SPD-Ortsvorsitzenden und jetzigen USPD-Vorsitzenden Emil Klodt in die Gemeindeverwaltung aufzunehmen. Er fungierte als Kontrollperson gegen den Willen der Bürgerlichen. Am 24.01.1919 wurde das ungerechte „Dreiklassenwahlrecht“ aufgehoben und am 23.02.1919 fand die erste gerechte Gemeindewahl statt. Die USPD errang 10 Sitze, die SPD 5, die bürgerliche Liste 4 und die DVP (Deutsche Volkspartei) 2. Erstmals waren zwei Frauen gewählt worden. Berta Gesche für die USPD und Karoline Gräser für die SPD. Am 01.03.1919 schlossen sich die Sozialdemokraten zu einer Fraktionsgemeinschaft zusammen. Emil Klodt (USPD) und Paul Baumann (SPD) wurden die Vorsitzenden, Paul Preißig (USPD) Schriftführer. Am 26.05.1919 bildete sich eine Zweigstelle der „Zentralstelle für die Einigung der Sozialdemokraten“ unter dem Vorsitzenden W. Matschke (SPD), den Schriftführern Carl Nikisch jun. (USPD) und O. Sauerzapf (SPD), dem Kassierer Georg Becker (SPD) und dem Beisitzer H. Kluge (USPD).
Am 20.11.1918 erließ der preußische Kulturminister Adolf Hoffmann (SPD) die „Verordnung ... über die Aufhebung des Religionszwang an den Schulen ...“. In Adlershof gab es eine überwiegende Arbeiterbevölkerung und eine seit Jahrzehnten aktive SPD. Daher war eine Vielzahl der Bevölkerung nicht kirchlich gebunden und es gab sogar einige sozialdemokratische Lehrer. Mit dem „Dringlichkeitsantrag 17“ vom 23.02.1919 wurde, durch die Sozialdemokraten initialisiert, für die neugeschaffene 3. Gemeindeschule ein, vom Lehrerkollektiv zu wählender, „Rektoratsverwalter“-Posten geschaffen. Desweiteren wurde auch die Schulaufsicht (Schuldeputation), die bisher dem Adlershofer Pfarrer unterstand in ein bürgerliches Gremium umgewandelt und ein Bürgervertreter gewählt. In einem „Aufruf an die Eltern“ wurde durch Karl Thielemann (USPD), Wilhelm Zabel (SPD) und Emil Wolfgramm (KPD – der Ortsverein war inzwischen gebildet worden) für die weltliche Schule geworben: „Nur wenn wir unsere Jugend zu denkenden freien Menschen erziehen, dann wird ein solches Elend, wie wir es während der Zeit des schrecklichsten aller Kriege .... Im wahren Wissen liegt die Einigkeit, im Glauben ewiger Wahn und Widerstreit.“. Als Ersatz für Religions- und Lebenskundeunterricht wurde der Moralunterricht eingeführt. Für die im September 1919 entlassenen Schulkinder fand eine Jugendweihe in den Schulaulen statt. Mehr als tausend Unterschriften waren zur Unterstützung dieser Veranstaltungen gesammelt worden. Die Adlershofer Schulreformer waren die Vorreiter für Berlin und Preußen. Am 15.05.1920 wurde in Adlershof die erste Sammelschule – die offizielle Bezeichnung für weltliche Schulen – in Berlin und Preußen eröffnet. Die von den Sozialdemokraten geforderte strikte Trennung von Staat und Kirche wurde aus Rücksicht auf den Koalitionspartner in der Regierung, der DDP (Deutsche Demokratische Partei), und den Kirchen nicht durchgesetzt. Der Religionsunterricht blieb an den Schulen. In Adlershof gab es deshalb Schulstreiks und Elternproteste. Die vom Gemeinderat beschlossene Entfernung von Bildern von Kaiser Wilhelm II., Kronprinz Friedrich II., Reichskanzler Fürst Bismark und Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (der spätere Reichspräsident) aus den Schulen, wurde vom preußischen Kultusministerium revidiert und nur für die Bilder der beiden erst genannten gestattet worden.

Nach der Konsolidierung der Reichsregierung und einem Bündnis mit den Reichswehr-Freikorps rief der Berliner Arbeiter- und Soldatenrat am 03.03.1919 zum Generalstreik auf. Am 16.03.1919 durchsuchten Soldaten Wohnungen in Adlershof nach Waffen. Emil Klodt (USPD) wurde nach vorzeigen seiner roten Legitimationskarte (Arbeiter- und Soldatenrat) wegen „Spartakisten-Verdacht“ verhaftet. Die gefundenen Waffen, u.a. 27 MG´s und 650 Gewehre, wurden von Adolf Hoffmann (SPD) in der Preußischen Landesversammlung als aus der Flugzeugmeisterei und der Kommandantur Adlershof stammend und den regulären Truppen gehörend identifiziert. Weitere 30 Gewehre gehörten der Sicherheitswache, welche die Lebensmittellager bewachte. Diese Aussagen mußte Kriegsminister Reinhardt am 19.03.1919 bestätigen. Vermutlich hatten denunzierende Regierungsbeamte die Truppen auf das „Rote Adlershof“ gehetzt.
Am 13.03.1920 kam es zum Kapp-Putsch.Die Reichsregierung aus (Mehrheits)SPD und Zentrum wurde als abgesetzt erklärt. Da die Reichswehr der Regierung ihre Unterstützung versagte, blieb als einziges Machtmittel die Ausrufung des Generalstreiks. Vom 14.03. bis 21.03.1920 wurde auch in Adlershof gestreikt. SPD, USPD und KPD gründeten einen Aktionsausschuß. Ab dem 15.03.1920 fanden tägliche Versammlungen statt, am folgenden Tag wurde eine Sicherheitswache und eine Sanitätswache eingerichtet. Als Kapp-Truppen über Köpenick kommend nach Treptow eindrangen, besetzten Adlershofer und Niederschöneweider den Bahndamm und den Wald am heutigen Betriebsbahnhof Schöneweide. Sie versperrten mit Baumstämmen das Adlergestell und blockierten das Stellwerk. Am 17.03.1920 trat die Putschregierung zurück und ab dem 19.03.1920 marschierte die Reichswehr gegen die als „Bolschewisten“ bezeichneten Arbeiter. Im Vorwärts (Sozialdemokratische Zeitung) stand dazu am 22.03.1920, daß Offiziere, um ihre Vaterlandstreue zu beweisen, Arbeiter ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit massakrierten. Auch in Adlershof kam es zwischen Agastraße (Am Studio) und Teltowkanal, wo reguläre Truppen das Benzollager besetzten, zu Kämpfen. In der Annahme, es wären Putschisten, wurden sie vom Altglienicker Bürgermeister zum Rückzug aufgefordert. Als sie dem nicht nachkamen, griffen Adlershofer, Altglienicker und Köpenicker Arbeiter an. Sechs Arbeiter und fünf Soldaten starben. Die siegreichen Arbeiter setzten die gefangenen und verwundeten Soldaten in der Alten Schule in Adlershof fest. Am Nachmittag des 20.03.1920 griffen weitere Reichswehrtruppen ein, besiegten die Arbeiter und richteten in der darauf folgenden Nacht ein Blutbad unter den Arbeitern an. Die Beerdigung der Ermordeten wurde auf Antrag der USPD von der Gemeinde übernommen. Am 15.03.1920 war auf Vorschlag des SPD-Gemeindevertreters Zabel der zum Kapp-Putsch aufgelöste Arbeiterrat wieder gebildet worden. Er arbeitete bis in den September des Jahres und war damit einer der am längsten aktiven.


Am 27.04.1920 trat das „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“ zum 01.10.1920 in Kraft. Altglienicke, Adlershof, Johannisthal, Niederschöneweide, Oberschöneweide, Treptow, sowie der Gutsbezirk Wuhlheide wurden zum 15. Verwaltungsbezirk Berlin Treptow (große Landgemeinde) mit 4.150 ha Fläche und 89.138 Einwohnern zusammengefaßt. Am 11.02.1921 wurde Julius Grunow (USPD) Bezirksbürgermeister und Karl Wehrmuth (SPD) sein Stellvertreter. Bezirksverordneter aus Adlershof war von der SPD von 1926 bis 1933 Paul Becker. Karl Schwarzlose wurde Wartestandsbeamter, ab 1930 Ersatzmann und 1933 Bezirksverordneter.
Nach der Eingemeindung konnten die Parteien keinen direkten Einfluß auf die Entwicklung in Adlershof mehr nehmen. Die Parteien wirkten, wie auch heute noch, in Kreisorganisationen oder Bezirksverbänden entsprechend ihres Stimmenanteils in der BVV (Bezirksverordnetenversammlung), den Ausschüsse bzw. im Bezirksamt. In der BVV waren die Fraktionen der SPD, der KPD, ein Block der Mitte aus Wirtschaftspartei und Deutscher Demokratischer Partei, die Fraktionen der DVP (Deutsche Volkspartei) und der DNVP (Deutsche Nationale Volkspartei) vertreten.
Die SPD in Adlershof hatte in den 20er Jahren ca. 500 Mitglieder. Ihr Vorsitzender war von 1924 bis 1933 der Verwaltungsangestellte Paul Ickert. Wilhelm Zabel wurde am 25.01.1921 unbesoldeter Stadtrat für die kommunalen Betriebe. Als er auch für das Feuerwehrwesen Verantwortung zeichnete, sorgte er dafür, das die Adlershofer Wehr endlich mit einer Motorspritze ausgerüstet wurde, die Feuerwehrmeldeanlage ausgebaut und an die Betriebswache Niederschöneweide angeschlossen wurde. Neben den bereits erwähnten Paul Becker und Karl Schwarzlose wirkte Paul Ickert als Bürgerdeputierter für die Deputation Bauwesen im Bezirk. Emil Klodt kehrte zur SPD zurück, er war seit 1919 Abgeordneter im Preußischen Landtag. Die USPD löste sich 1924 auf. 60 USPD Mitglieder traten bereits 1920 zur KPD über, die in den 20er 200 Mitglieder in Adlershof hatte.
In diesen Jahren gab es zwei Initiativen, die auf Adlershof große Wirkungen hatten. 1925 wurde mit der „Berliner Bauverordnung“ eine alte SPD-Forderung umgesetzt – die Förderung des Wohnungsbaus. Auf Initiative des Stadtbaurats Architekt Martin Wagner (SPD) wurden die Zuschüsse verteilt, von 1926 an auch in Adlershof. In den 20er Jahren entstand in Deutschland eine Kleingartenbewegung. Auch in Adlershof bildeten sich Kolonien. Die Errichtung der Anlagen am Adlergestell auf forstfiskalischen Gelände zwischen dem 1926 errichteten RAW und Adlershof (heutige Neltestr.) ist auf eine Initiative der SPD-Fraktion in der BVV zurück zu führen. Sie ersuchte am 08.06.1925 das Bezirksamt, Schritte zur volkswirtschaftlichen Nutzung dieser „recht verwilderten“ brachliegenden Flächen zu unternehmen. Ein Ergebnis war die Verpachtung von Kleingartenanlagen wie „Am Adlergestell“, „Fortschritt“ und „Märkische Schotte“.

Nach einem revolutionären und blutigen Beginn dieses Zeitabschnitts endet er hier mit der friedlichen (meistens jedenfalls) Beschaulichkeit einer Kleingartenanlage. Doch dieses Symbol des Wachstums wurde durch die politische Entwicklung, die bereits Ende der 20er Jahre auch in Adlershof eine neue Zeit einläutete, überschattet.
Auf Grund dieses Zusammenhanges endet der Abschnitt Weimarer Republik hier, bereits einige Jahre vor ihrer endgültigen Zerstörung durch die Nationalsozialistische Machtübernahme 1933.

 

Unsere Positionen

Hierfür setzen wir uns ein: Adlershofer Positionen 2022 (english version here)